Frau Mosaedian – „Brückenqualifizierung“

Frau Shahnaz Mosaedian

1 Kind (erwachsen)
aus dem Iran
seit 2019 in Deutschland

 


Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?
Ich bin im Iran geboren und habe dort 12 Jahre die Schule besucht. Im Anschluss habe ich die Ausbildung zur Maßschneiderin und Stickerin absolviert. In diesem Beruf war ich insgesamt 29 Jahre im Iran tätig. Ich war selbstständig und hatte eine eigene Schneidereischule, die in Teheran sehr berühmt war und einen sehr guten Ruf hatte. Ich selbst habe innerhalb der Schule als Lehrerin gearbeitet. Dafür habe ich regelmäßig an Fortbildungen teilgenommen und kann 20 internationale Zertifikate vorweisen (Türkei, Schweiz etc.).

Wie war Ihre Ausgangssituation bevor Sie zu BAFF gekommen sind?
2019 war ich in meinem Heimatland in Lebensgefahr und musste somit alles hinter mir lassen. Meine Familie, meine über die Jahrzehnte aufgebaute Existenz, meine Freunde, eben alles.
In Deutschland angekommen, habe ich zunächst einen Asylantrag gestellt und relativ zügig begonnen, die deutsche Sprache zu lernen. Die Corona-Pandemie erschwerte dies, da die Sprachschulen geschlossen wurden, so dass ich viel eigeninitiativ gelernt habe. Ich wusste, ich muss kämpfen, um in Deutschland Fuß fassen zu können.
Mein Vater war Boxer und seine Kämpferseele trage ich in mir.
Schnell wurde mir bewusst, dass ich hier als Schneiderin wenig Chancen habe, mich beruflich zu etablieren. Denn ich hatte mehr als Lehrerin gearbeitet und bin ausgebildete Konfektionsschneiderin. Ich war frustriert, hatte kein berufliches Ziel vor Augen und hatte große Sorge, keine Arbeit zu finden.
Über meinen Berater im Sozialamt bin ich dann im August 2021 bei BAFF gelandet.

Welche Angebote haben Sie bei BAFF genutzt?
Bei der BAFF-Frauen-Kooperation habe ich an dem Projekt „Brückenqualifizierung und Coaching für Darmstädter Frauen“ teilgenommen.
Gleich zu Beginn nahm ich das Gruppenangebot des Computerunterrichts wahr. Es half mir relativ schnell meine digitalen Kenntnisse zu aktualisieren sowie zu erweitern. Dies ermöglichte mir in Eigenregie, Recherchen hinsichtlich Arbeitsplätzen zu betreiben. Meine Motivation wuchs wieder. Ich hatte wieder eine Aufgabe. Außerdem konnte ich in Austausch mit anderen Frauen gehen, neue Kontakte knüpfen und über bestehende Probleme reden. Das gab mir mehr Sicherheit und half mir, aus meiner Isolation herauszukommen.
Neben dem Gruppenangebot erhielt ich Einzelcoaching. Auch hier konnte ich jederzeit meine Probleme besprechen, ein paar Tränen vergießen und mein Selbstwertgefühl wurde wieder gestärkt. Es gab einen entscheidenden Satz innerhalb der Gespräche, der für mich das Schönste und Hoffnungsvollste war: „Wenn Sie Unterstützung brauchen, dann sind wir immer da.“ Ich fühlte mich dadurch gesehen und ernst genommen. Dieser Satz gab mir viel Kraft. Ich musste in Deutschland erst lernen, um Unterstützung zu bitten. Im Iran habe ich immer anderen geholfen.
Natürlich arbeiteten wir auch an meinem beruflichen Einstieg in Deutschland. Gemeinsam erstellten wir Bewerbungsunterlagen, orientierten uns auf dem Arbeitsmarkt und ich ging in den Bewerbungsprozess.
Mein berufliches Ziel war es, wieder mit meinen Händen zu arbeiten, etwas entstehen zu lassen. Ende September hatte ich ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch bei einem Personaldienstleister, die Mitarbeiter:innen für einen großen Fahrradhersteller suchten.
Jetzt benötigte ich nur noch eine Arbeitserlaubnis. BAFF und deren Angebote halfen mir, die Wartezeit durchzustehen und die Hoffnung nicht zu verlieren.
Seit Ende November arbeite ich sozialversicherungspflichtig in Vollzeit in der Qualitätskontrolle des Unternehmens.

Was hat sich für Sie verändert seit Sie bei BAFF sind?
Vieles.
In erster Linie habe ich eine Arbeit gefunden, die mir sehr viel Spaß macht. Ich arbeite in einem sehr netten Team, ich erfahre einen sehr respektvollen Umgang miteinander und alle werden unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer Religion gleichbehandelt. Auch zu meinem Chef habe ich einen guten Kontakt und er ist immer sehr verständnisvoll. Er ist sehr zufrieden mit meiner Arbeit.
Außerdem ist sowohl mein Selbstwertgefühl als auch mein Selbstbewusstsein wieder gestiegen. Ich habe jetzt Ziele vor Augen und ich schaue wieder positiver und zuversichtlicher in die Zukunft.
Und ich weiß, wenn ich Unterstützung benötige, an wen ich mich auf jeden Fall wenden kann. Das gibt mir ein Gefühl der Sicherheit.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ende August läuft mein vorerst befristeter Vertrag bei dem Personaldienstleister aus. Ich wünsche mir eine direkte Festanstellung bei dem Fahrradhersteller. Ich möchte dort gerne mehr Verantwortung übernehmen und noch Karriere machen. Dafür verbessere ich meine Deutschkenntnisse weiterhin kontinuierlich.
Zudem hätte ich gerne eine eigene kleine Wohnung. Momentan wohne ich noch in einer Übergangsunterkunft.
Mein größter Wunsch wäre es, meine Eltern wiedersehen zu können. Entweder sie könnten mich in Deutschland besuchen oder ich kann sie, mit einem veränderten Status, im Iran besuchen.

Frau Shahnaz Mosaedian nahm an dem Projekt „Brückenqualifizierung und Coaching für Darmstädter Frauen“ teil. Das Projekt wird gefördert aus AQB-Mitteln des Landes Hessen und durch das Jobcenter Darmstadt kofinanziert.

Stand: März 2022